.14 / .15 artothek - Raum für junge Kunst
.14 / .15 artothek - Raum für junge Kunst

Katalog / Gruppenausstellung / Freunde der artothek Köln

“Robert Kraiss zeigt in seiner Ausstellung „Diana und Aktaion“ in der artothek – Raum für junge Kunst Buntstiftzeichnungen und Korbskulpturen.

Weit entfernt von allem, was man üblicher Weise mit Buntstiftzeichnung verbindet, schafft Robert Kraiss verdichtete, fabelhafte Bildwelten. Maschinell verstärkt bearbeitet er den Bildträger beim Farbauftrag bis hin zur beginnenden Zerstörung. Zeichen und Objekte entstehen aus einem schillernden Farbspektrum, das sich Schicht um Schicht zu einem Farbraum verbindet. Die assoziative Einbeziehung von Mythen, Astrologie und Zitaten der Bildenden Kunst öffnen den Weg in eine vordergründig bekannte Bildwelt, nehmen den Betrachter mit und lassen ihn kurz danach auch schon wieder mit vielen Fragen alleine. Wie notwendig oder überflüssig sind die erzählerischen Momente? Distanzierte Betrachtung oder Eintauchen in Atmosphäre?

Der antike Mythos von „Diana und Aktaion“ scheint eine mögliche Deutungsebene zu den Bildern zu bieten, stellt diese Notwendigkeit jedoch auch ironisierend in Frage. Für den Künstler bleibt die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen bilderzählerischer Formen im Spannungsfeld zu den Fragen abstrakter Malerei. So konkret manche Formen sichtbar sind, so malerisch flirrend entledigen sie sich ihrer narrativen Bezüge.

Auch die amorphen Formen der ausgestellten Skulpturen flimmern durch Rot-Grün-Kontrast, lösen dabei ihre Konturen auf, können Falle oder Phallus sein. Das rotierend Wirbelnde, das bei Robert Kraiss bereits früher für Meditation, Versenkung oder Ekstase stand, ist auch in diesen Werken wieder präsent: Verflochtene Strichstrukturen entstehen durch die Montage der Stifte auf einem sich drehenden Bohraufsatz und ebenso windet sich das Rattangeflecht der Skulpturen spiralförmig zur Form.”

Mussu
Mussu

Robert Kraiss / Revolver Publishing / ISBN 978-3-86-895245-2

Mit 'Mussu' erscheint der erste Einzelkatalog zu den Arbeiten des Kölner Künstlers Robert Kraiss (geboren 1972). Der Meisterschüler von Georg Herold bearbeitet das gewählte Medium Zeichnung mit Obsession und Hingabe, changiert zwischen Gegenständlichkeit, Ornament und Abstraktion, minutiösem Detail und raumgreifendem Gestus und beansprucht das Material oft bis an die Grenzen von Riss, Abwetzung und schlussendlicher Zerstörung.

In der Gegenüberstellung zweier Werkgruppen, enstanden über den Zeitraum der letzten drei Jahre, zeigt sich auch ein immerwährendes Spannungsfeld zwischen individuellem Ausdruck und Konzept, der Definition der eigenen Arbeit als ein permanentes Hinterfragen von Begriffen wie materialimmanenter Selbstreflexivität und künstlerischer Identität. In den zeichnerischen Experimenten von Robert Kraiss wird das eigene und das gesammelte kunsthistorische Material paraphrasiert, reproduziert, kopiert oder, durchgängig mechanisiert, mit einem Akkuschrauber erarbeitet. Zwischen konzeptueller Distanzierung und emotionalisierter Detailverliebtheit findet Robert Kraiss eine seltene Balance in einem oft schon untoten Medium.

Insert mit einem Text von Olivia Poloni, englisch.

The stinking and the perfumed elephant (Ein Reisebericht)
The stinking and the perfumed elephant (Ein Reisebericht)

Robert Kraiss / Avatar Magazin Köln / ISBN 978-3-00-034759-7

Mit THE STINKING AND THE PERFUMED ELEPHANT veröffentlicht der Kölner Künstler Robert Kraiss seine erste Prosa, verfasst während seines dreimonatigen Aufenthaltes in Istanbul, im Rahmen des Atelier Galata-Stipendiums der Stadt Köln. Robert Kraiss, geboren 1972, ist in erster Linie bildender Künstler - nicht Schriftsteller; und schon der bewusste Einsatz naiver Alltagssprache, gerne auch im Telegramm-Stil, zeigt deutlich, dass ihm nicht daran gelegen ist, einen klassischen Reisebericht vorzulegen. Die Eindrücke und Erlebnisse, obwohl verfasst in Tagebuchform, vermitteln sich mit klarer Distanz zu Ort und Geschehen. Er beschreibt seine Assimilationsstrategien anhand von Alltagsritualen, wie beispielsweise der MORGENROUTINE: LESEN UND SCHREIBEN. KAFFEE. PAPIER SCHWÄRZEN. SONNE. Detaillierte Schilderungen zu sich genommener Lebensmittel erinnern mitunter an die ganz eigene Qualität und Monotonie des achtstündigen Films EMPIRE STATE BUILDING. Dazu: Mantra, Sufi, Gebetsmühle, Road-Trip. ICH GEHE GERNE. ICH SITZE UNGERNE, erklärt er in einem der wenigen Gedichte, die sich hier und da in einer Lawine aus Eindrücken und Schilderungen finden, die Satzzeichen buchstäblich überrollt: ERST SINGENDE FUSSBALLFANS, DANN DIE MÜLLABFUHR. DANN IST RUHE. DENKE AN CHINESISCHE WASSERFOLTER UND SCHLAFE EIN, BIS MICH AM NÄCHSTEN MORGEN DER MUEZZIN AUS ZEHN METER ENTFERNUNG ANSINGT, UM 5:30 H? ICH BIN DONALD DUCK. Robert Kraiss erlebt Istanbul nicht unvorbereitet. Sowohl in seinen Zeichnungen wie auch in den Musikperformances von DIE BÄUME finden sich immer wieder Zitate und Versatzstücke von Ethno, Schamanismus und orientalischer Mystik. Trotz der behaupteten Distanz ereignet sich vor Ort eben doch eine erstaunliche Metamorphose: ALS DER VATER MERKT, DASS ICH KEIN TÜRKE AUS KÖLN BIN, IST ES IHM UNANGENEHM UND ER ENTSCHULDIGT SICH. Das Buch ist weniger ein Mittel zur Selbstdarstellung, als vielmehr ein Plädoyer für den Typus des universell interessierten und agierenden Künstlers. Darin führt Kraiss seine Haltung als Künstler und sein Konzept genreübergreifender künstlerischer Praxis vor, die des Erlebens, permanenten Austauschs, vergleichender Praxis und theoretischer Auseinandersetzung bedarf.

Maxim - KUNST UND BABYS
Maxim - KUNST UND BABYS

Anja Kempe, Robert Kraiss, Tina Tonagel / A-Musik Köln

Katalog zur Ausstellungsreihe und Ausstellungsraum Maxim in Köln. Auszug: “Die Bleistift-Zeichnung als räumliches Erlebnis. Auf einer Papier-Diagonalen von vier Metern wurde gewühlt und gewurschtelt. Nicht selten ist das Papier durch die intensive Bearbeitung beschädigt. Bildzitate von Brueghel bis Diddlmaus bildeten vielleicht den Anfang einer Assoziationskette. Davon ist zwar alles da, aber nichts mehr zu erkennen. Denn bei ROBERT KRAISS' Zeichnungen gilt weniger die Geschichte des Motivs, sondern das ewige Hinterfragen der Form. Sie täuschen vor, narrativ zu sein. In Wirklichkeit könnten es nur technische Übungen gewesen sein wie komplettes Schwärzen und anschließend gründliches Radieren größerer Flächen. Die vorgefundenen Foto-Motive aus dem Zusammenhang gerissen dürfen ihre Seele (oder irgendeinen Teil ihrer Essenz) dem Bild nur leihen. Die Motive durchlaufen mehrere Stadien voller Überlagerungen und Anhäufungen. Die Schraffur als Charakter eines Gedankens. Kann sich doch mal ein Motiv durchsetzen, wird es zelebriert und angebetet.

Der Prozess der Bilderzeugung wird intensiviert und objektiviert, indem Zeichnungen oder Teile davon kopiert und in andere Formate übertragen werden. So wird es möglich, einen mathematisch sezierenden Blick darauf zu werfen und sich zu regenerieren. Denn wenn man glaubte, der Zeichner dieser Zeichnungen habe eine rauschhafte Extase durchlebt, folgt die Ernüchterung: Es gibt den gleichen unglaublichen Wust ein zweites Mal und in vielen Fällen ganze Reihen mit gleichen Bildinhalten. Der Betrachter sieht das Ergebnis eines langen grüblerischen Prozesses, man spürt die Suche. Die Bilder haben eine starke Atmosphäre, eine Aura von Vibrationen, Rhythmus und Musikalität.

Im Rahmen der Reihe „Kunst und Babys" tritt Robert Kraiss mit der Band „Ylmaz House Band" (mit Michael Bauer und Florian Gass) auf.”

Compilation II
Compilation II

Katalog / Gruppenausstellung / Kunsthalle Düsseldorf

Misanthropie eines Philanthropen

Von Gregor Jansen

Robert Kraiss zeichnet dekonstruierte Affen mit schönen Augen oder schönen Zähnen; achteckige Elemente oder zwei lesende Clownköpfe mit roter Nase und lustigen Schlappohren vor Schattierungen und anderen Beigaben konstruktiver Weltsicht. Zwei Personen in einem von Gitarre, Axt und allerlei Zierrat umgebenen Herz. Einen Totenkopf-Maler mit allen Klischees bestückt und eckigen Augenhöhlen; eine sich an die schönen Brüste fassende and Venus; ein melancholisch versunkener Roncalliclown hinter All Norhang?). Eine verquaste Gestalt mit lupenartigen Betonungen einzelner Körperpartien; ein Geschenk inmitten einer Rasenlicht und 4en mit Mann. All dies aber ist ein Vorwand für die Abstraktion das Formlose der unstrukturierten Gesten, wie von wahnsinniger Hand verbrochen, wilde Tachismen und frei gefeuerte, hemmungslose Informeln. Seine Bleistifte streiten sich um eine Vorherrschaft oder die Hoheit auf dem Blatt: Idee oder Form, Konzept oder Freiheit, Ordnung und Chaos, Sinn oder Verstand? Die Welt hat sich auf seinen zugestrichelten, wegradierten oder offenen Kompositionen selbst verloren, steht vereinzelt, bisweilen vermint im Zeichenfeld des kruden Unsinns von Mehrsinn. Die Zeichnung ist ein sehr altes, von vielen sogar als Ursprung der Kunst verstandenes Medium, erlangte erst im 16. Jahrhundert als Theorie des Disegno bei den Italienern eine gewisse Autonomie, zu der sich Künstler heute immer noch bekennen dürfen. Vasari beschreibt in der zweiten Ausgabe seiner »Viten« 1560, beim Disegno gehe es nicht nur um eine Idee, sondern auch um deren Umsetzung. Dementsprechend versteht er Disegno als Konkretisierung eines geistigen Entwurfs. Die Bedeutung des Begriffs wechselte vom unentschiedenen »Idee« auf der einen und >Form« aut der anderen Seite hin zu deren Synthese.

Kraiss zeichnet dies als einen Prozeß, der flirrend Weltsicht als Idee und Form verbindet. Es ist ein ironischer Prozeß der spontanen Innenwelt, ein Vexierbild des Unergründlichen, wobei es nicht ohne Belang ist, daß er ausgebildeter Ergotherapeut ist, also geübt im Umgang und Lernen von Fein- und Grobmotorik mit Kindern. Zuviel Bedeutung sollte man dem aber auch nicht beimessen, denn wir sehen schließlich unter anderen Anzeichen bedeutende, und deutlich ausbalancierte (meint: komponierte) Zeichnungen vor uns. Das Spezifische ist - um es irgendwie auf eine Formel zu bringen - ein genialer Dilettantismus, den Robert Kraiss nutzt, um verstörende bis wunderschöne Eruptionen der zum Teil gestörten, aber immer überaus sensibel wahrgenommenen Bilderund Umwelt zu generieren. Aus einer bewußten Negierung der Erwartungshaltung gegenüber der schönen und bildenden Kunst erschließt er sich über das kollektive Gedächtnis den Horizont ohne denselben und bleibt auf der Fläche wie bereits die Surrealisten, allen voran die traumhaften Frottage-Zeichnungen Max Ernsts oder der Histoire naturelle (1926). In Gemälden wäre das nie denkbar (Idee), geschweige denn sichtbar (Form).

Das Vor und Zurück des Prozesses ist wie ein Flimmern der Erkenntnis und die heitere Melancholie der Figuration bei Kraiss eine der Welt zugeneigte Akzeptanz des Saturnikers. Dies wußte schon Dürer und stach sie in ein vieldeutiges Gerümpel; die alles vernichtende Formlosigkeit der entropischen Faszination als Wissen um das Ende allen Ursprungs wußte schon Wols, und erklärte seinem Hund die Bilder. Misanthrop und Philanthrop sind somit in den Zeichnungen des Robert Kraiss auf gar abstrus bis wundersame Weise glücklich vereint. Und wenn diese dann noch aus großer Höhe herab betrachtet werden können (wie beim Akademierundgang 2005), stellt sich sogar eine ganz andere, ungeahnte Form von Genuß ein: eine räumlich präsente Größe.


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The stinking and the perfumed elephant (Ein Reisebericht)
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Compilation II
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Katalog / Gruppenausstellung / Freunde der artothek Köln

“Robert Kraiss zeigt in seiner Ausstellung „Diana und Aktaion“ in der artothek – Raum für junge Kunst Buntstiftzeichnungen und Korbskulpturen.

Weit entfernt von allem, was man üblicher Weise mit Buntstiftzeichnung verbindet, schafft Robert Kraiss verdichtete, fabelhafte Bildwelten. Maschinell verstärkt bearbeitet er den Bildträger beim Farbauftrag bis hin zur beginnenden Zerstörung. Zeichen und Objekte entstehen aus einem schillernden Farbspektrum, das sich Schicht um Schicht zu einem Farbraum verbindet. Die assoziative Einbeziehung von Mythen, Astrologie und Zitaten der Bildenden Kunst öffnen den Weg in eine vordergründig bekannte Bildwelt, nehmen den Betrachter mit und lassen ihn kurz danach auch schon wieder mit vielen Fragen alleine. Wie notwendig oder überflüssig sind die erzählerischen Momente? Distanzierte Betrachtung oder Eintauchen in Atmosphäre?

Der antike Mythos von „Diana und Aktaion“ scheint eine mögliche Deutungsebene zu den Bildern zu bieten, stellt diese Notwendigkeit jedoch auch ironisierend in Frage. Für den Künstler bleibt die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen bilderzählerischer Formen im Spannungsfeld zu den Fragen abstrakter Malerei. So konkret manche Formen sichtbar sind, so malerisch flirrend entledigen sie sich ihrer narrativen Bezüge.

Auch die amorphen Formen der ausgestellten Skulpturen flimmern durch Rot-Grün-Kontrast, lösen dabei ihre Konturen auf, können Falle oder Phallus sein. Das rotierend Wirbelnde, das bei Robert Kraiss bereits früher für Meditation, Versenkung oder Ekstase stand, ist auch in diesen Werken wieder präsent: Verflochtene Strichstrukturen entstehen durch die Montage der Stifte auf einem sich drehenden Bohraufsatz und ebenso windet sich das Rattangeflecht der Skulpturen spiralförmig zur Form.”

Mussu

Robert Kraiss / Revolver Publishing / ISBN 978-3-86-895245-2

Mit 'Mussu' erscheint der erste Einzelkatalog zu den Arbeiten des Kölner Künstlers Robert Kraiss (geboren 1972). Der Meisterschüler von Georg Herold bearbeitet das gewählte Medium Zeichnung mit Obsession und Hingabe, changiert zwischen Gegenständlichkeit, Ornament und Abstraktion, minutiösem Detail und raumgreifendem Gestus und beansprucht das Material oft bis an die Grenzen von Riss, Abwetzung und schlussendlicher Zerstörung.

In der Gegenüberstellung zweier Werkgruppen, enstanden über den Zeitraum der letzten drei Jahre, zeigt sich auch ein immerwährendes Spannungsfeld zwischen individuellem Ausdruck und Konzept, der Definition der eigenen Arbeit als ein permanentes Hinterfragen von Begriffen wie materialimmanenter Selbstreflexivität und künstlerischer Identität. In den zeichnerischen Experimenten von Robert Kraiss wird das eigene und das gesammelte kunsthistorische Material paraphrasiert, reproduziert, kopiert oder, durchgängig mechanisiert, mit einem Akkuschrauber erarbeitet. Zwischen konzeptueller Distanzierung und emotionalisierter Detailverliebtheit findet Robert Kraiss eine seltene Balance in einem oft schon untoten Medium.

Insert mit einem Text von Olivia Poloni, englisch.

The stinking and the perfumed elephant (Ein Reisebericht)

Robert Kraiss / Avatar Magazin Köln / ISBN 978-3-00-034759-7

Mit THE STINKING AND THE PERFUMED ELEPHANT veröffentlicht der Kölner Künstler Robert Kraiss seine erste Prosa, verfasst während seines dreimonatigen Aufenthaltes in Istanbul, im Rahmen des Atelier Galata-Stipendiums der Stadt Köln. Robert Kraiss, geboren 1972, ist in erster Linie bildender Künstler - nicht Schriftsteller; und schon der bewusste Einsatz naiver Alltagssprache, gerne auch im Telegramm-Stil, zeigt deutlich, dass ihm nicht daran gelegen ist, einen klassischen Reisebericht vorzulegen. Die Eindrücke und Erlebnisse, obwohl verfasst in Tagebuchform, vermitteln sich mit klarer Distanz zu Ort und Geschehen. Er beschreibt seine Assimilationsstrategien anhand von Alltagsritualen, wie beispielsweise der MORGENROUTINE: LESEN UND SCHREIBEN. KAFFEE. PAPIER SCHWÄRZEN. SONNE. Detaillierte Schilderungen zu sich genommener Lebensmittel erinnern mitunter an die ganz eigene Qualität und Monotonie des achtstündigen Films EMPIRE STATE BUILDING. Dazu: Mantra, Sufi, Gebetsmühle, Road-Trip. ICH GEHE GERNE. ICH SITZE UNGERNE, erklärt er in einem der wenigen Gedichte, die sich hier und da in einer Lawine aus Eindrücken und Schilderungen finden, die Satzzeichen buchstäblich überrollt: ERST SINGENDE FUSSBALLFANS, DANN DIE MÜLLABFUHR. DANN IST RUHE. DENKE AN CHINESISCHE WASSERFOLTER UND SCHLAFE EIN, BIS MICH AM NÄCHSTEN MORGEN DER MUEZZIN AUS ZEHN METER ENTFERNUNG ANSINGT, UM 5:30 H? ICH BIN DONALD DUCK. Robert Kraiss erlebt Istanbul nicht unvorbereitet. Sowohl in seinen Zeichnungen wie auch in den Musikperformances von DIE BÄUME finden sich immer wieder Zitate und Versatzstücke von Ethno, Schamanismus und orientalischer Mystik. Trotz der behaupteten Distanz ereignet sich vor Ort eben doch eine erstaunliche Metamorphose: ALS DER VATER MERKT, DASS ICH KEIN TÜRKE AUS KÖLN BIN, IST ES IHM UNANGENEHM UND ER ENTSCHULDIGT SICH. Das Buch ist weniger ein Mittel zur Selbstdarstellung, als vielmehr ein Plädoyer für den Typus des universell interessierten und agierenden Künstlers. Darin führt Kraiss seine Haltung als Künstler und sein Konzept genreübergreifender künstlerischer Praxis vor, die des Erlebens, permanenten Austauschs, vergleichender Praxis und theoretischer Auseinandersetzung bedarf.

Maxim - KUNST UND BABYS

Anja Kempe, Robert Kraiss, Tina Tonagel / A-Musik Köln

Katalog zur Ausstellungsreihe und Ausstellungsraum Maxim in Köln. Auszug: “Die Bleistift-Zeichnung als räumliches Erlebnis. Auf einer Papier-Diagonalen von vier Metern wurde gewühlt und gewurschtelt. Nicht selten ist das Papier durch die intensive Bearbeitung beschädigt. Bildzitate von Brueghel bis Diddlmaus bildeten vielleicht den Anfang einer Assoziationskette. Davon ist zwar alles da, aber nichts mehr zu erkennen. Denn bei ROBERT KRAISS' Zeichnungen gilt weniger die Geschichte des Motivs, sondern das ewige Hinterfragen der Form. Sie täuschen vor, narrativ zu sein. In Wirklichkeit könnten es nur technische Übungen gewesen sein wie komplettes Schwärzen und anschließend gründliches Radieren größerer Flächen. Die vorgefundenen Foto-Motive aus dem Zusammenhang gerissen dürfen ihre Seele (oder irgendeinen Teil ihrer Essenz) dem Bild nur leihen. Die Motive durchlaufen mehrere Stadien voller Überlagerungen und Anhäufungen. Die Schraffur als Charakter eines Gedankens. Kann sich doch mal ein Motiv durchsetzen, wird es zelebriert und angebetet.

Der Prozess der Bilderzeugung wird intensiviert und objektiviert, indem Zeichnungen oder Teile davon kopiert und in andere Formate übertragen werden. So wird es möglich, einen mathematisch sezierenden Blick darauf zu werfen und sich zu regenerieren. Denn wenn man glaubte, der Zeichner dieser Zeichnungen habe eine rauschhafte Extase durchlebt, folgt die Ernüchterung: Es gibt den gleichen unglaublichen Wust ein zweites Mal und in vielen Fällen ganze Reihen mit gleichen Bildinhalten. Der Betrachter sieht das Ergebnis eines langen grüblerischen Prozesses, man spürt die Suche. Die Bilder haben eine starke Atmosphäre, eine Aura von Vibrationen, Rhythmus und Musikalität.

Im Rahmen der Reihe „Kunst und Babys" tritt Robert Kraiss mit der Band „Ylmaz House Band" (mit Michael Bauer und Florian Gass) auf.”

Compilation II

Katalog / Gruppenausstellung / Kunsthalle Düsseldorf

Misanthropie eines Philanthropen

Von Gregor Jansen

Robert Kraiss zeichnet dekonstruierte Affen mit schönen Augen oder schönen Zähnen; achteckige Elemente oder zwei lesende Clownköpfe mit roter Nase und lustigen Schlappohren vor Schattierungen und anderen Beigaben konstruktiver Weltsicht. Zwei Personen in einem von Gitarre, Axt und allerlei Zierrat umgebenen Herz. Einen Totenkopf-Maler mit allen Klischees bestückt und eckigen Augenhöhlen; eine sich an die schönen Brüste fassende and Venus; ein melancholisch versunkener Roncalliclown hinter All Norhang?). Eine verquaste Gestalt mit lupenartigen Betonungen einzelner Körperpartien; ein Geschenk inmitten einer Rasenlicht und 4en mit Mann. All dies aber ist ein Vorwand für die Abstraktion das Formlose der unstrukturierten Gesten, wie von wahnsinniger Hand verbrochen, wilde Tachismen und frei gefeuerte, hemmungslose Informeln. Seine Bleistifte streiten sich um eine Vorherrschaft oder die Hoheit auf dem Blatt: Idee oder Form, Konzept oder Freiheit, Ordnung und Chaos, Sinn oder Verstand? Die Welt hat sich auf seinen zugestrichelten, wegradierten oder offenen Kompositionen selbst verloren, steht vereinzelt, bisweilen vermint im Zeichenfeld des kruden Unsinns von Mehrsinn. Die Zeichnung ist ein sehr altes, von vielen sogar als Ursprung der Kunst verstandenes Medium, erlangte erst im 16. Jahrhundert als Theorie des Disegno bei den Italienern eine gewisse Autonomie, zu der sich Künstler heute immer noch bekennen dürfen. Vasari beschreibt in der zweiten Ausgabe seiner »Viten« 1560, beim Disegno gehe es nicht nur um eine Idee, sondern auch um deren Umsetzung. Dementsprechend versteht er Disegno als Konkretisierung eines geistigen Entwurfs. Die Bedeutung des Begriffs wechselte vom unentschiedenen »Idee« auf der einen und >Form« aut der anderen Seite hin zu deren Synthese.

Kraiss zeichnet dies als einen Prozeß, der flirrend Weltsicht als Idee und Form verbindet. Es ist ein ironischer Prozeß der spontanen Innenwelt, ein Vexierbild des Unergründlichen, wobei es nicht ohne Belang ist, daß er ausgebildeter Ergotherapeut ist, also geübt im Umgang und Lernen von Fein- und Grobmotorik mit Kindern. Zuviel Bedeutung sollte man dem aber auch nicht beimessen, denn wir sehen schließlich unter anderen Anzeichen bedeutende, und deutlich ausbalancierte (meint: komponierte) Zeichnungen vor uns. Das Spezifische ist - um es irgendwie auf eine Formel zu bringen - ein genialer Dilettantismus, den Robert Kraiss nutzt, um verstörende bis wunderschöne Eruptionen der zum Teil gestörten, aber immer überaus sensibel wahrgenommenen Bilderund Umwelt zu generieren. Aus einer bewußten Negierung der Erwartungshaltung gegenüber der schönen und bildenden Kunst erschließt er sich über das kollektive Gedächtnis den Horizont ohne denselben und bleibt auf der Fläche wie bereits die Surrealisten, allen voran die traumhaften Frottage-Zeichnungen Max Ernsts oder der Histoire naturelle (1926). In Gemälden wäre das nie denkbar (Idee), geschweige denn sichtbar (Form).

Das Vor und Zurück des Prozesses ist wie ein Flimmern der Erkenntnis und die heitere Melancholie der Figuration bei Kraiss eine der Welt zugeneigte Akzeptanz des Saturnikers. Dies wußte schon Dürer und stach sie in ein vieldeutiges Gerümpel; die alles vernichtende Formlosigkeit der entropischen Faszination als Wissen um das Ende allen Ursprungs wußte schon Wols, und erklärte seinem Hund die Bilder. Misanthrop und Philanthrop sind somit in den Zeichnungen des Robert Kraiss auf gar abstrus bis wundersame Weise glücklich vereint. Und wenn diese dann noch aus großer Höhe herab betrachtet werden können (wie beim Akademierundgang 2005), stellt sich sogar eine ganz andere, ungeahnte Form von Genuß ein: eine räumlich präsente Größe.


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